3. Die württembergische Armee im Krieg 1812—1814
Württemberg war als Rheinbundstaat zur Stellung eines Truppenkontingents für den im Jahr 1812 ausgebrochenen Krieg zwischen Frankreich und Russland verpflichtet.
Bereits im Frühjahr 1811, als sich die Spannungen zwischen den Imperien Napoleons und Alexanders zugespitzt hatten und eine russische Militäroffensive gegen das Herzogtum Warschau gedroht hatte, war ein württembergisches Infanterieregiment nach Danzig kommandiert worden. Anfang Februar 1812 erhielt König Friedrich von Napoleon den Befehl zur Mobilmachung eines Armeekorps zum Feldzug gegen Russland.
Der württembergische König stand einem Krieg gegen das Zarenreich ablehnend gegenüber. Er versuchte im Vorfeld des militärischen Konflikts — vergeblich — mäßigend auf Napoleon einzuwirken und eine Durchführung des Feldzugs zu verhindern. Vor allem zwei Gründe waren hierfür Ausschlag gebend. Zum einen war das Haus Württemberg, wie bereits erwähnt, dynastisch eng mit der Zarenfamilie verbunden. Eine Schwester Friedrichs, Maria Feodorowna, war die Mutter des amtierenden Zaren Alexander. Andere Mitglieder des Hauses Württemberg, zum Beispiel Alexander Herzog von Württemberg, ein Bruder des Königs, sowie Eugen Herzog von Württemberg, ein Neffe aus der schlesischen Linie, dienten in hoher Funktion in der russischen Verwaltung bzw. im Militär.
Zum anderen versprach ein
Feldzug gegen Russland für Württemberg und seinen König Friedrich keine politischen Vorteile. Arrondierungen des Staatsgebiets, die Friedrich nach dem französisch-österreichischen Krieg 1809 noch erlangen konnte, waren 1812 unabhängig vom Ausgang des Krieges nicht zu erwarten. Hingegen musste Friedrich, der die Verhältnisse im russischen Heer aus seiner eigenen Militärzeit im Zarenreich gut kannte, befürchten, dass ein Großteil seiner Streitmacht für französische Kriegsziele geopfert werden würde.
Da der König keine Möglichkeit hatte, sich seinen Bündnisverpflichtungen zu entziehen, rückte im März 1812 ein württembergisches Truppenkontingent ins Feld. Es umfasste etwa 10.000 Mann Infanterie, 1.000 Mann Artillerie und 2.300 Mann Kavallerie. In späteren Kriegsphasen sollten noch das seit Frühjahr 1811 in Danzig stationierte Infanterie-Regiment Nr. 7 sowie Ergänzungstruppen in den Krieg gegen Russland involviert werden. Das Oberkommando über die württembergischen Regimenter hatte König Friedrich seinem Sohn, Kronprinz Friedrich Wilhelm, dem späteren König Wilhelm I., übertragen. Der König verband mit dieser Personalentscheidung unter anderem die Hoffnung, dass die württembergischen Truppen als geschlossener Verband am Krieg teilnehmen konnten. Diese Hoffnung sollte sich nicht erfüllen: Der Großteil der württembergischen Regimenter bildete seit Ende März die 25. Division des französischen Heeres, die Teil des dritten, von Marschall Michel Ney geführten Armeekorps war. Hingegen wurde das Kavallerie-Regiment Nr. 3 Jäger Herzog Louis dem 40.000 Mann starken Kavalleriereservekorps der Grande Armée zugeschlagen, welches vom neapolitanischen König Joachim Murat befehligt wurde.
In der ersten Phase des Feldzuges hatte die Ernennung des Kronprinzen zum Oberbefehlshaber der württembergischen Truppen sogar deutlich negative Rückwirkungen auf die Situation der Soldaten. Napoleon, der durch die Berufung der hochgestellten fürstlichen Persönlichkeit seine unumschränkte Befehlsgewalt über die württembergischen Regimenter — wohl nicht zu Unrecht — gefährdet sah, zielte darauf ab, Friedrich Wilhelm und seine Truppen zu demütigen. Aus diesem Grund benachteiligte er das württembergische Kontingent bei der Verpflegung und bei der Zuweisung von Quartieren. Hohe Befehlshaber der 25. Division stellte er beim Durchmarsch durch Polen ungerechtfertigterweise vor der ganzen Armee bloß. Der Kaiser bemängelte die Disziplin der württembergischen Regimenter und behauptete, schwäbische Soldaten hätten gegen seinen Befehl im Land geplündert. Erst nachdem Kronprinz Friedrich Wilhelm im Juli wegen einer Erkrankung die Armee verlassen musste, besserte sich die Behandlung der Württemberger durch die französische Armeeführung.
Nach dem Überschreiten des Niemen durch die Grande Armée war das Gros des württembergischen Kontingents zunächst als Nachhut des von Michel Ney geführten Armeekorps eingesetzt. Die schwäbischen Truppen zogen nördlich an Vilnius vorbei und wandten sich anschließend gegen die Düna. Die Einteilung als Arrièregarde trug erheblich dazu bei, dass der Feldzug für die württembergischen Soldaten bereits in den Sommermonaten desaströs verlief. Da die Regimenter stets durch Landstriche zogen, die durch die vor ihnen ziehenden Truppen aller Lebensmittel beraubt waren, litten sie besonders stark unter den Nahrungsmittelengpässen in der französischen Armee und waren nicht zuletzt deshalb von Krankheiten in katastrophaler Weise betroffen. Ohne dass die Truppen König Friedrichs im Gefecht gestanden hätten, reduzierte sich der Personalbestand der nach Russland kommandierten Infanterie in den ersten sechs Kriegswochen von knapp 10.000 auf etwa 4.000 Mann. Etwas besser als den württembergischen Truppen, die dem III. französischen Armeekorps zugewiesen waren, erging es dem Kavallerie-Regiment Nr. 3 Jäger Herzog Louis, das unter dem Befehl Murats stand. Dieses Regiment war Teil der Avantgarde der Grande Armée und hatte zunächst weniger unter Versorgungsschwierigkeiten zu leiden. Die Formation nahm am 5. Juli am Gefecht bei Daugeliszky (Dauksiské) sowie am 8. August an den Kämpfen bei Inkowo teil.
Während die Louisjäger anschließend bis kurz vor der Schlacht von Borodino im Rückraum der französischen Armee operierten, kam das Gros der württembergischen Truppen in den Feldschlachten im Raum Smolensk erstmals ins Gefecht. Bei der Belagerung und Einnahme der Stadt Smolensk sowie im Kampf mit der russischen Nachhut im sogenannten Heiligen Tal (Walutina Gora) hatten die schwäbischen Formationen überaus schwierige operative Aufgaben zu lösen. Dies war kein Zufall, war es doch ein Prinzip Napoleons, die Truppen der Verbündeten mit eher problematischen Aufträgen zu betrauen. Die Württemberger kämpften nach den vorliegenden Berichten sowohl bei Smolensk als auch wenige Wochen später bei Borodino tapfer und hatten ihren Anteil an den französischen Erfolgen. Dieser ist allerdings aufgrund der geringen Personalstärke des württembergischen Kontingents nicht allzu hoch zu veranschlagen. Wie sehr Napoleon dennoch den Einsatz der schwäbischen Soldaten zu schätzen wusste, zeigte sich unter anderem daran, dass er nach den Gefechten zahlreiche Württemberger mit dem Orden der Ehrenlegion bedachte. Nach der Schlacht von Borodino verlieh der Kaiser Marschall Michel Ney, dem Befehlshaber des III. Armeekorps der Grande Armée (und damit auch des Großteils der württembergischen Truppen), den Ehrentitel eines „Fürsten von der Moskwa“.