Der Aufenthalt in Moskau bedeutete für die Mehrzahl der noch etwa 1.200 kampffähigen württembergischen Soldaten eine willkommene Erholungsphase. Die Militärangehörigen konnten neue Kräfte schöpfen und ihr Gerät wieder instand setzen. Zudem wurden ein sogenanntes Marschbataillon, das zum größten Teil aus Rekonvaleszenten bestand, sowie die Kompanie von Valois, die den erkrankten Kronprinzen Friedrich Wilhelm nach Vilnius zurückbegleitet hatte, herangeführt. Der eklatante Mangel an Pferden, unter dem die württembergischen Regimenter wie zahlreiche andere Einheiten der Grande Armée litten, ließ sich allerdings nicht beheben. Nicht in Moskau stationiert waren die nach wie vor unter Joachim Murats Kommando stehenden Louisjäger, deren Zahl sich von 580 auf 115 reduziert hatte. Sie bezogen eine Position südlich von Moskau und nahmen am 18. Oktober an der Schlacht von Tarutino (Winkowo) teil. Anschließend löste sich das Regiment wegen Personalmangel auf (20. Oktober).
Auf dem Rückmarsch von Moskau bis zur Grenze des Russischen Reiches teilten die württembergischen Soldaten das Los der gesamten napoleonischen Armee. Sukzessive reduzierte sich die Personalstärke der eingesetzten Regimenter. Viele Militärangehörige starben an Hunger, Kälte, Entkräftung und Krankheit oder gerieten in Kriegsgefangenschaft. Letztmals kämpften die Württemberger am 3. November bei Wiazma im geschlossenen Verband. Bei Krasnoi (Krasnyj), etwa 50 km westlich von Smolensk, drohte den verbliebenen Resten der schwäbischen Formationen die völlige Vernichtung, als das von Ney geführte Armeekorps Gefahr lief, abgeschnitten zu werden. Diese Katastrophe konnte abgewendet werden. Nichtsdestotrotz fanden sich Anfang Januar am Sammelplatz der Württemberger in Inowrazlaw (Inowroclaw, Neubrenslau) westlich von Thorn lediglich etwa 500 Mann ein.
Nach der zügigen Neuaufstellung der württembergischen Regimenter Anfang 1813 konnte im April dieses Jahres ein Korps von gut 7.200 Mann, darunter allerdings viele schlecht ausgebildete Soldaten, in Richtung des sächsischen Kriegsschauplatzes in Marsch gesetzt werden. Die württembergischen Truppen empfingen in der für Napoleon siegreichen Schlacht von Bautzen am 20./21. Mai ihre Feuertaufe. Zehn Tage später standen sie in einem kleineren Gefecht bei Jauer. Auch wenn diese Kämpfe erfolgreich bestritten werden konnten, wogen die Verluste von etwa einem Viertel der eingesetzten Soldaten schwer. Während des Waffenstillstandes zwischen
Anfang Juni und Mitte August 1813 kamen weitere 4.360 Mann aus Württemberg ins Feld. Die schwäbischen Regimenter kämpften am 6. September in der Schlacht bei Dennewitz gegen die alliierte Nordarmee. Bei der französischen Niederlage erlitten sie hohe Verluste von über 2.200 Mann. In der Völkerschlacht bei Leipzig war die württembergische Division — bereits stark dezimiert — vor allem mit Verteidigungsaufgaben betraut und hatte nur geringe Feindberührung. Ein Skandalon war der Übergang einer von Graf Normann geführten Reiterbrigade auf die Seite der Alliierten. Ende Oktober langten die Reste des württembergischen Armeekorps, etwa 1.200 Mann, in Württemberg an.
Der Herbstfeldzug des Jahres 1813 war der letzte Waffengang, in der württembergische Truppen auf der Seite Napoleons kämpften. Nach dem Bündniswechsel König Friedrichs in den Wochen nach der Völkerschlacht bei Leipzig nahmen neu aufgestellte schwäbische Regimenter unter dem Kommando von Kronprinz Friedrich Wilhelm am Frühjahrsfeldzug in Frankreich teil. Unter anderem waren sie an den Schlachten von La Rothiere, Montereau, Arcis-sur-Aube und Fere-Champenoise beteiligt. Unter den alliierten Truppen, die am 31. März in die französische Hauptstadt Paris einzogen, befanden sich auch zwei württembergische Infanteriebataillone.
4. Selbstzeugnisse württembergischer Kriegsteilnehmer
Aus dem frühen 19. Jahrhundert ist eine deutlich größere Zahl an soldatischen Selbstzeugnissen (v. a. Briefe, Tagebücher, Erinnerungen) überliefert als aus früheren Epochen der europäischen Geschichte.
Dies hat viele Gründe.
Ein wichtiger Faktor war, dass durch die lange Dauer der französischen Revolutionskriege und der napoleonischen Kriege die Zahl der Militärangehörigen stark angestiegen war. Daneben spielte eine Rolle, dass sich in vielen Staaten in der Zeit um 1800 die soziale Zusammensetzung der Heere verändert hatte. Die Einführung der „levée en masse“ in Frankreich im Jahr 1793 und die Verbreitung der Konskription in den französisch dominierten Teilen Europas bedingten, dass in größerer Zahl Bürgerliche Militärdienst leisteten. Viele von diesen neigten — nicht zuletzt aufgrund ihres zum Teil exzellenten Bildungshintergrunds — dazu, ihre Soldatenzeit sowie die Kriegsereignisse, an denen sie teilnahmen, intensiv zu reflektieren.
Die soldatischen Selbstzeugnisse des frühen 19. Jahrhunderts können in zwei Gruppen geschieden werden: die zeitgenössischen Dokumente und diejenigen, die erst nach den Kriegsereignissen, in der Regel nach dem Ende der napoleonischen Epoche, entstanden sind. Die Zahl der zeitgenössischen Aufzeichnungen ist insgesamt geringer als die Zahl der später angefertigten Texte. Die autobiografischen Dokumente von Militärangehörigen sind wie alle Selbstzeugnisse als „Ich-Konstruktionen“ (Rutz) zu verstehen.
Persönliche Kriegserfahrungen sind in diesen Quellen in medial vermittelter Form greifbar.
Die wissenschaftliche Auswertung der Selbstzeugnisse von Soldaten, die an den Kriegen um 1800 teilgenommen haben, wirft zum Teil gravierende methodische Probleme auf. Dies gilt besonders für diejenigen Dokumente, die längere Zeit nach den geschilderten Geschehnissen entstanden sind. Bei diesen Aufzeichnungen kam es häufig zu Umdeutungen von Kriegserfahrungen durch den jeweiligen Verfasser. Wissenschaftliche Editionen von Erinnerungswerken sowie quellenkundliche Analysen liegen nur in sehr geringer Zahl vor.
Auffallend viele soldatische Selbstzeugnisse, welche die Zeit der Revolutionskriege oder der napoleonischen Kriege zum Gegenstand haben, beziehen sich ausschließlich oder zum Teil auf den französischen Feldzug gegen Russland im Jahr 1812.
Bei diesen Dokumenten handelt es sich ebenfalls mehrheitlich um Werke, die nach 1815 entstanden sind. Zu den Selbstzeugnissen zum Russlandfeldzug Napoleons zählen neben textlichen Kriegserinnerungen auch Zeichnungen und Gemälde, welche die kriegerischen Ereignisse vergegenwärtigen. Zahlreiche autobiografische Dokumente, vor allem Kriegsmemoiren, wurden im Verlauf der vergangenen zwei Jahrhunderte ganz oder in Teilen veröffentlicht. Doch befinden sich immer noch unpublizierte Aufzeichnungen in Archiven, in Bibliotheken oder im privaten Besitz.
Unter den Selbstzeugnissen deutscher Soldaten und Offiziere, die im Jahr 1812 in Napoleons Grande Armée Dienst leisteten, nehmen die Erinnerungswerke von Württembergern eine wichtige Rolle ein.
Eine herausragende Bedeutung für die visuelle Vergegenwärtigung des Feldzugs gegen das Zarenreich erlangten die Aquarelle und Zeichnungen von Christian Wilhelm von Faber du Faur (1780—1857).
Diese bildlichen Darstellungen wurden weltweit rezipiert und sind in nahezu allen Publikationen über die französische Invasion nach Russland wiedergegeben. Daneben haben aber auch zahlreiche Kriegserinnerungen schwäbischer Militärangehöriger die Aufmerksamkeit der nationalen und internationalen Forschung auf sich gezogen. Zu nennen sind insbesondere die Memoiren von Christian von Martens, Heinrich von Roos, Karl von Suckow und Jakob Walter. Auszüge aus diesen Werken fanden Eingang sowohl in Quellensammlungen als auch in historiografische Darstellungen.