Auf dem Wege von Heilbronn bis in Leipzigs Nähe waren wir durch manche schöne Gegend gezogen, hatten mehrere niedliche Städtchen und wohlhabende Dörfer gesehen, und verschiedene Wirthe gehabt. Eines meiner angenehmsten Quartiere hatte ich beym Amtsschreiber Geisse zu Marienburghausen bey Haßfurt. Die Geradheit des Mannes und die sorgliche Geschäftigkeit der Frau zogen mich sehr an diese Familie an. Auch einige andere Hauswirthe, namentlich zu Fröhstockheim im Würzburgischen, zu Martinroda bey Ilmenau, zu Cumbach bey Rudolstadt und zu Unter-Schwednitz bey Zeitz haben mich durch ihre Sorgfalt und Aufmerksamkeit, die sie uns als Deutschen bewiesen, zur Dankbarkeit verpflichtet. Eine ausgezeichnete Bewirthung fand ich in dem Schlosse des Grafen Hohenthal zu Knauthayn und eine vortreffliche Unterhaltung in seiner gutgewählten Bibliothek. Bey Gelegenheit einer Musterung, die unser Kronprinz hielt, sah ich die Stadt Leipzig, die Pleissenburg, und die schöne Niederlage von Meißner Porcellän. Mehrere andere Merkwürdigkeiten noch zu sehen gestattete mir die Kürze der Zeit nicht. Überdieß befand ich mich in Knauthayn zu wohl, um gerne lange abwesend zu seyn. Aber der schöne Aufenthalt daselbst währte nur vom 1—6.ten April einschließlich. Ein Befehl des französischen Kaisers rief uns aus Leipzigs herrlicher Umgebung ab, und nach Frankfurt // S. 9// an der Oder. Es ahnte uns, daß es uns lange Zeit nicht mehr so gut werden würde, denn das jenseitige Sachsen
versprach uns keinen so angenehmen Aufenthalt, und vom Brandenburgischen erwarteten wir noch weniger, da die Württemberger vom Jahr 1806. und 1807. her noch keine ehrenvolle Celebrität
bey den dortigen Bewohnern genoßen.
Zweytes Capitel.
Am 7.ten April verließen wir unsere Standquartiere, zogen in Parade durch Leipzig, berührten am 9.ten das Schlachtfeld von Torgau, das ich freilich gerne näher besichtigt hätte, sahen die Festung die erst im Werden war, und giengen am nämlichen Tage über die Elbe.
In Torgau hatten Verständige die Haltung und den Zustand unsers Regiments bewundert. Am 10.ten kamen wir durch das artige Städtchen Herzberg nach Frankenhayn, wo uns der Pfarrer mit manchen Anekdoten, von denen mir besonders das Examen eines Candidaten der Theologie mit Nescio; Nescis? Nescit! wohl gefiel,
sehr angenehm unterhielt. Den folgenden Tag in den Quartieren zu Beesdau erhielt das Jäger-Regiment Herzog Louis die Nachricht, daß es auf unmittelbaren Befehl des Kaisers Napoleon vom württembergischen Corps getrennt, künftighin mit dem Schlesischen Ulanen - und 6.ten polnischen Husaren- // S. 10// Regiment unter dem Commando des Brigade-Generals Ornano und des Divisions-Generals Watier de S[ain]t Alphonse stehen, zu diesem Zweck unverzüglich und ohne ferneren
Ratschlag nach Frankfurt marschiren, und sich dort an das Corps dieser Generale anschließen soll.
Nach einem Marsch von etlichen Stunden durch die Lausitz, wo die wendische Sprache der Bauern mehrere Mißverständnisse veranlaßte, rückten wir beÿ Kossenblatt in die Mark Brandenburg ein, wurden beÿ Müllrose zum leztenmale vom Kronprinzen gemustert, und kamen noch am gleichen Tage nach Frankfurt an der Oder, wo eigentlich erst unsere gänzliche Trennung vom württembergischen Corps erfolgte.
Es war allerdings eine große Auszeichnung, daß vom Kaiser Napoleon unser Regiment namentlich zur Vereinigung mit der Division des Generals Watier, der den Vortrab der grosen Armee bilden sollte, bezeichnet wurde. Auch fühlten wir dieses und sahen wohl ein, daß wir zu Erwerbung von Ruhm und Ehre ein freÿes Feld vor uns haben. In dieser Beziehung waren wir mit der Bestimmung des französischen Kaisers wohl zufrieden; auf der andern Seite aber war manches gegen eine Vereinigung mit Franzosen einzuwenden; Letztere damals gewöhnt, auf die rheinischen Bundestruppen mit einem gewißen Stolze herabzusehen, und wenn sie es litten, sie wohl auch zu mißhandeln, konnten uns manche Unannehmlichkeit zufügen, vor der selbst der decidirte
Oberste sein Regiment nicht immer zu schützen // S. 11// vermochte; in jedem Fall aber, wenn wir uns mit den Franzosen auch noch so gut stellten, konnten wir auf keine Unterstützung beÿ ihnen rechnen, wie wir sie beÿ unserem Armeecorps hätten fordern können, und auch gefunden hätten; wenigstens so weit es Zeit und Umstände erlaubt haben würden. Ueberdieß flößte uns diese Entfernung gerechte Besorgnisse wegen der künftigen Behandlung unserer Kranken und Verwundeten ein, da uns die Nachläßigkeit und zuweilen auch Grausamkeit, mit welcher die französischen Aerzte ihre Kranken und Verwundeten zu behandeln pflegen gar wohl bekannt war. Auch war es noch unentschieden, ob wir uns mit den schlesischen Uhlanen würden vertragen können, ein Umstand der auf unser eigenes Schicksal von großem Einfluß seÿn konnte.
Beÿ Erwägung aller dieser Umstände konnten wir also die Freude über die uns wiederfahrene Ehre leicht mäsigen, und wir wären, wenn wir zu wählen gehabt hätten, bey unsern Landsleuten geblieben, und hätten gerne Leid und Freude mit ihnen getheilt.
Von Leipzig bis hieher war unser Marsch durch ein minder gutes Land gegangen, die Dörfer und Wohnungen der Wenden geben keinen günstigen Begriff von ihrem Wohlstände, und das Innere ihrer Häuser verräth Armuth und Unreinlichkeit. Im Brandenburgischen waren wir sehr unwillkommene Gäste, und sehr häufig gab es Klagen über schlechte Quartiere, die wohl nicht allein dem Mangel an gutem Willen von Seiten der Einwohner, sondern auch // S. 12// zum Theil der Mutter Natur, welche die Umgegend von Frankfurt sehr stiefmütterlich behandelt, und sie mit einer ungeheuren Menge Sand — hie und da auch Flugsand — begabt hat, zuzuschreiben sind; besonders veranlaßte der Haß der Frankfurter gegen uns mehrere unangenehme Auftritte.
Eine der schönem kleineren Städte zwischen Leipzig und Frankfurt ist Lübben von etwa 6,000. Seelen. Frankfurt gehört schon zu den gröseren Städten, wenigstens nach dem Tone, der da herrscht.
Die Stadt liegt hart an der Oder und eignet sich zum Handel und zur Schiffahrt, da der Fluß hier schon eine sehr beträchtliche Breite und Tiefe hat, vortrefflich, auch mag in den Zeiten des Friedens der Verkehr in dieser Stadt gar nicht unbedeutend seyn. Hier hatte ich mehr Muße mich umzusehen, als in Leipzig und ich benüzte sie auch wirklich. Von Merkwürdigkeiten
sah ich zwar nichts, aber ich suchte auch keine auf; desto mehr interessierte mich das Leben und Treiben der Bewohner dieser Stadt, denn gleichwie zwischen dem Clima der Mark Brandenburg und dem des südlichen Deutschlands ein bedeutender Unterschied ist, so sind auch die Bewohner dieser beiden Gegenden durch Sitten und Lebensart merklich von einander unterschieden. Der Norddeutsche zeichnet sich vor dem Süddeutschen durch eine grösere Abgeschliffenheit und Gewandtheit im Umgänge aus, dagegen aber ist der Süddeutsche gerader, offener, ehrlicher. Im Character des Süddeutschen ist Gutmüthigkeit ein hervorstehechender Zug, während beym Norddeutschen alles andere dem eigenen Ich nachsteht. // S. 13//