In Heilsberg waren wir sehr gut einquartirt bey einem Kaufmann Romann, und den folgenden Tag lernten wir in dem Bürgermeister von Wormditt und seiner Frau sehr wackere Leute kennen. Hier wurde uns der Rath ertheilt, jedenfalls über Elbing und Danzig zu gehen, und diesem Rathe folgend erreichten wir die letztere Stadt am 22. Dec[em]b[e]r bey später Nachtzeit. Tags darauf brachten wir in Erfahrung, daß der württemberg'sche Kriegs-Commissär Herdegen hier anwesend sey, und von ihm erhielten wir sofort zu unserer unaussprechlichen Freude aus der Kriegs-Casse ein Anlehen von 20. Louisdor, und zugleich die Nachricht, daß statt Danzig nunmehr die Festung Thorn an der Weichsel zum Sammelplätze für die Württemberger bestimmt sey. Wir verließen nun Elbing sogleich wieder, passirten am nemlichen Tage Marienburg, und kamen am 24. Dec[em]b[e]r Abends in Marienwerder an, wo wir bey Medicinalrath Burkhardt ein quartirt wurden, und wo wir den Christtag zubrachten. Die Ungefälligkeit des Wirths und seiner Frau verkümmerte uns den Ruhetag nicht wenig, und gerne traten wir am 26. Dec[em]b[e]r unsere Weiterreise an. Nach 2. Tagreisen, auf denen wir die Stadt Graudenz passirten, und an der Festung gleichen Namens vorbeykamen, trafen wir am 28. Dec[em]b[e]r in der Stadt und Festung Thorn auf dem rechten Ufer der Weichsel ein. Aber auch hier war unsers Bleibens nicht, und zwar zu unserer grosen Zufriedenheit, weil wir keineswegs Lust hatten, eine Belagerung, die wohl vorauszusehen war, auszuhalten, vielmehr nach der Rückkehr ins Vaterland uns sehnten. Nach einem // S. 90// Rasttage verließen wir Thorn wieder, und begaben uns 10. Stunden weiter nach Inowraclaw, ein Städtchen im Herzogthum Warschau, wo sich die aus dem Feldzuge rückkehrenden Württemberger sammelten.
In Ost- und Westpreussen, so wie im Herzogthum Warschau waren überall noch die Spuren zu finden, die der Durchzug der französischen Armee im Frühling und Anfänge des Sommers zurückgelassen hatte, nirgends aber waren sie so deutlich, wie in Ost-Preussen, und auch hier wieder am deutlichsten in dem nördlicheren Theile, weil die Disciplin immer gelinder wurde, je mehr sich die Armee der feindlichen Grenze, der Eröffnung des Feldzuges näherte. Wir trafen darum auch viel Elend in diesen Gegenden, und durften uns darum über die oft feindselige Begegnung der Einwohner nicht wundern. Gleichwohl waren es gerade die am härtesten Bedrängten, die uns am wohlwollendsten aufnahmen, und ich kann im Allgemeinen nicht anders, als das Benehmen der OstPreussen sehr loben. Ein Gleiches aber kann ich von den Westpreussen nicht rühmen, und zwey Häuser, in Wormditt und Graudenz — ausgenommen, muß ich sagen, daß uns überall Haß und feindselige Gesinnungen begegneten, die sich keineswegs scheuten, sich durch Worte kund zu geben. Im Warschau' schen unterschieden wir zwischen Adel und Volk, während der erstere uns grose Geneigtheit bezeugte, scheute uns, haßte uns das letztere.
Das Land von Goldap bis Elbing ist ziemlich, gegen den Nogat hin aber sehr fruchtbar. Es ist meistens flach und von einförmigem Aussehen // S. 91// nirgends befinden sich Puncte, die sich durch Lage und Umgebung einigermaasen auszeichnen. Die Niederungen von Elbing gelten als einer der fruchtbarsten Landstriche Preussens. Bey Graudenz fängt das Land an, wieder sandig zu werden, und bey Culmsee und Thorn bildet es eine eigentliche Sandwüste. In OstPreussen gleicht die Bauart der Dörfer der im Warschau'schen, doch sind jene etwas freundlicher und reinlicher als diese. Die Städtchen Heilsberg und Wormditt sind alt, aber nicht schlecht gebaut. Elbing ist eine beträchtliche, sehr gewerbsame, gut gebaute Stadt. Gegen diese Stadt hin haben die Dörfer ein gefälligeres und wohlhabenderes Aussehen, aber in der Niederung der Nogat und Weichsel übertreffen sie die schönsten und reichsten Dörfer von SüdDeutschland. Die Mauern und Häuser von Marienburg zeugen von hohem Alter der Stadt, dagegen ist Marienwerder weit neuer und mit geschmackvollen Gebäuden geschmückt. Graudenz ist alt, aber nicht übel gebaut, auch scheint es ziemlich gewerbsam zu seyn. Die in nicht groser Entfernung gelegene Festung steht auf einer Erhöhung, doch sind von der Strasse aus weder Werke noch Häuser bemerkbar; sie soll nur einige wenige Wohn-Gebäude enthalten, indem die Garnison, als die einzigen Bewohner des Platzes, in den Casematten liegt. Diesseits Graudenz, wo der Boden wieder unergiebiger wird, sind auch die Dörfer schlechter gebaut, die Wohnungen minder bequem und reinlich, bey Thorn sind sie wieder ächt polnisch. Diese Stadt selbst ist von nicht unbedeutendem Umfang, gut bevölkert, und //S. 92// sehr gewerbthätig, sie hat viele gut gebaute Straßen, und manche Häuser, die einer grosen Stadt zur Zierde gereichen würden. Das Städtchen Inowraclaw enthält neben vielen, nach polnischer Art gebauten Häusern, noch manche bessere Gebäude, die alle aus den Zeiten der preussischen Herrschaft herrühren. Im Ganzen gehört es zu den besseren polnischen Städtchen.
In diesem Orte sollte nach den Befehlen unsers Königs, der an die allgemeine Auflösung nicht glauben wollte, der Ueberrest der württembergischen Truppen gesammelt und geordnet werden, und bis zur Ankunft der Ergänzungsmannschaft verweilen, um dann vereint mit diesen126 wieder gegen den Feind zu marschiren. Die Generale sahen aber die Unausführbarkeit dieses Befehls wohl ein, und hatten darum schon früher einen aus ihrer Mitte mit dem Auftrag nach Stuttgart gesandt, den König über die wahre Lage der Dinge aufzuklären, und ihn wo möglich zu Zurückberufung der geretteten Truppen zu bestimmen. Dieß hatte denn auch den Erfolg, daß schon am 6. Jan[ua]r 1813. der Allen unausprechlich erfreuliche Befehl eintraf, die Offfciere einzeln so schnell als möglich ins Vaterland zurückzuschicken, die Soldaten aber unter der Aufsicht einiger Officiere in mäßigen Tagmärschen heimzuführen.
Während meines Aufenthalts in Inowraclaw, der vom lezten Dec[em]b[e]r bis zum 7. Jan[ua]r währte, hatte ich fortwährend mit Diarrhoe und Magenweh heftig zu kämpfen, die dagegen gebrauchten Mittel // S. 93// schlugen bey der allgemeinen Erschöpfung, an der ich litt, nicht an. Ich gehörte zu der Zahl derjenigen Officiere, die für sich heimkehren sollten, und gab nun meine Pferde unter die Aufsicht des Depot-Commandanten von unserem Regimenté, dem ich ein drittes schon in Rußland übergeben hatte, nahm von der Kriegs-Casse einige hundert Gulden auf, versah mich mit den nöthigsten Kleidungsstücken, und kaufte in Gemeinschaft mit dem Ober-Lieutenant Grafen v[on] Graevenitz eine polnische Pritschke
für unsere Reise. Als Bedienter sollte uns Jäger Hoffmann begleiten.
Dreyzehentes Capitel.
Voll der freudigsten Gefühle traten wir am 7. Jan[ua]r Morgens unsere Heimreise an. Unsere Pritschke war zwar nicht bedeckt, doch hatte sie die Bequemlichkeit, daß wir nach Gefallen darin liegen oder sitzen konnten. Die Bespannung erhielten wir auf jedem Etapenplatze von den bereitstehenden Bauernpferden. Wir nahmen den Weg über Pakosz und Pudewitz nach Posen, wo wir am 8.ten anlangten. Nach einem Aufenthalte von einigen Stunden setzten wir unsere Reise fort, und übernachteten am 9. in Fraustadt, der lezten Stadt im Herzogthum Warschau. Am 10. giengen wir über die Oder, passirten Glogau, wo wir Mittag machten, und erreichten über Sagan, Surau, Muskau, Hoyerswerde und // S. 94// Königsbrück schon am 12. Jan[ua]r die Hauptstadt des Königreichs Sachsen, Dresden. Hier ruhten wir zwey Tage aus, fuhren am 15. das Elbethal hinab nach Meissen, von dort über das Erzgebürge durch Freyberg, Chemnitz, Zwickau, nach Plauen im Voigtlande, durch Hof und Bayreuth nach Nürnberg, wo wir am 18.ten Jan[ua]r eintrafen. Den 19.ten kamen wir nach Ansbach, und am 20.ten nach Ellwangen, wo wir abermals einen Rasttag machten. Tags darauf giengen wir bis Gmünd, und den 23.ten nach Ludwigsburg, von da aber auf die uns vom Gouverneur gegebene Nachricht, daß alle aus Rußland zurückkehrenden Officiere bis zum lezten Jan[ua]r Urlaub hätten, und bis dahin im Lande hingehen konnten, wo sie wollten, noch am nemlichen Tage nach Stuttgart.